So, 11.09.2016 | 14:00 - 15:30 | Treffpunkt Sennestadthaus
Stadtführung: “Gemeinsam Denkmale erhalten”
Veranstalter: Sennestadtverein
Marc Wübbenhorst, stellvertretender kommissarischer Leiter des Sennestadtvereins, präsentiert auf einem ca. 2 km langen Rundgang
- den historischen Stadtkern der Sennestadt mit der typischen Architektur Hans Bernhard Reichows und seiner Zeit
- einige stadtplanerische Besonderheiten der Sennestadt
- das aktuelle Sanierungsprojekt “Farben der Sennestadt”
Ansprechpartner:
Marc Wübbenhorst
Die Führung ist kostenlos.
Eine Anmeldung ist nicht erforderlich.
Ansprechpartner
MARC WÜBBENHORST
HBR Gesellschaft
Führungen
Tel.: 05205 / 950 930
Sehenswertes aus der Sennestadt
Seit 2010 gilt die Sennestadt als „historischer Stadtkern mit besonderer Denkmalbedeutung“. Das hat die Vereinigung der Landesdenkmalpfleger in NRW entschieden. Die untere Elbeallee ist exemplarisch für die Ladenzeilen der Sennestadt. Städtebaulich nehmen die Geschosshöhen zur Stadtmitte hin zu. Ausnahme: einzelne Hochhäuser.
Reihenhäuser, Einfamilienhäuser, Hochhäuser und Mehrfamilienhäuser finden sich in direkter Nachbarschaft. So wollte Reichow für eine gute soziale Durchmischung der Einwohnerschaft sorgen. Die charakteristische Farbigkeit der Mehrfamilienhäuser ist durch Maßnahmen der energetischen Sanierung oft verloren gegangen.
Die dreizehn Hochhäuser sind bedeutende Landmarken in der Sennestadt. Trotz großer Ähnlichkeiten hat jedes seinen unverwechselbaren Charakter. In der Nachkriegszeit stand besonders dieser Gebäudetyp für eine neue Zeit und das neue Wohnen. Integrierte Ladenzeilen sollten die Hochhäuser mit ihrem Umfeld verbinden und zugleich die Nahversorgung der Bewohner unterstützen.
Das bewaldete Bullerbachtal bildet einen der beiden Balken des “Grünen Kreuzes”, das die Sennestadt strukturiert. Die Quelle des Bullerbachs wurde aufwändig renaturiert. Der Stadt-Slogan „Wilkommen im grünen Bereich“ spiegelt die produktive Spannung zwischen Grünraum und farbiger Bebauung wider.
Die “Stadtkrone” am Sennestadtring wurde als repräsentatives Stadtzentrum angelegt, auf das alle Hauptäste des Straßennetzes zulaufen: mit dem Sennestadthaus auf einer aufgeschütteten Halbinsel (ursprünglich als Rathaus konzipiert), dem künstlich angelegten Sennestadtteich und weiteren auffällig gestalteten Gebäuden wie dem Sennestadtpavillon und dem Jugendzentrum LUNA.
Hans Bernhard Reichow verfolgte ein Verkehrskonzept, das Unfälle vermeiden und Ampeln und Vorfahrtsschilder überflüssig machen sollte: Es gibt keine Kreuzungen, sondern nur Einmüdungen. Diese sind so angelegt, dass sich die Nebenstraßen mit einer Biegung in die Hauptstraße einfädeln. Die durchgehende Hauptstraße ist schon baulich als Vorfahrtsstraße erkennbar. Alle Biegungen wenden sich der “Stadtkrone” zu, dienen also als bauliche Wegweiser zum Zentrum.
Ein Stadtorganismus vor dem Höhenzug des Teutoburger Waldes
Interview mit dem Zeitzeugen Peter Holst (*1923)
Der Berliner Architekt Peter Holst war 1958-1962 Mitarbeiter im Büro des Sennestadtplaners und Oberbauleiters Hans Bernhard Reichow. Er hat die Gründungsphase der Sennestadt aktiv mitgestaltet und pflegt bis heute das damals entstandene Sennestadtmodell.
Was war das Neue an der Sennestadt?
HOLST: Sie war konzipiert als selbständige Stadt mit umfassender Infrastruktur und stellte ein Novum dar gegenüber den Stadterweiterungen, die von den Bauämtern der Städte organisiert und durchgeführt wurden, meist mit ausgesuchten Architekten. Kennzeichen der Sennestadt ist dagegen, dass von Baubeginn an, aus vielen Orten der BRD kommend, eine Vielzahl von Baugesellschaften mit ihren Entwerfern und private Bauherren mit ihren Architekten ihre Bauten hier errichteten.
Wie haben Sie das damals koordiniert und zusammengeführt?
HOLST: Das war die Aufgabe der technischen und künstlerischen Oberbauleitung – also von Reichow und seinen Mitarbeitern. Wir mussten alle diese unterschiedlichen Entwurfshandschriften koordinieren und Bauherren und Architekten zur Teamarbeit gewinnen. Das konnte nicht öffentlich-rechtlich geschehen, sondern wurde privatrechtlich mit den Grundstücksverträgen erreicht, Verträge, die noch heute ihre Gültigkeit haben. Die darin enthaltenen Richtlinien beschränken sich in den gestalterischen Vorgaben auf ein Mindestmaß. Zum Beispiel auf ein bestimmtes Farbkonzept bei der Gestaltung der Fassaden. Dieses ging später durch Sanierungen oft verloren. Deshalb haben wir 2014, als Orientierung für energetische Sanierungen, einen Farbfächer mit aufeinander abgestimmten Farbwerten rekonstruiert und teilweise neu entwickelt. Er soll helfen, die damals von Reichow angestrebte Geschlossenheit und Heiterkeit des Stadtbildes wiederherzustellen.
Welche Rolle spielt die Landschaft für die Sennestadt?
HOLST: Der stadtbildprägende Einfluss der Landschaft auf den Stadtorganismus der Sennestadt ist sofort erkennbar: das von Nord nach Süd verlaufende Tal des Bullerbaches als grünes Rückgrat, und quer dazu die alte Geländeabsenkung – sie bilden vor dem ansteigenden Höhenzug des Teutoburger Waldes das „grüne Kreuz“. Entlang dieser grünen Achsen liegen an naturgegebenen und herausgehobenen Stellen die Standorte für Gebäude mit besonderer Bedeutung für das Gemeinwesen: Da ist die „Stadtkrone“ mit dem Sennestadthaus auf einer aufgeschütteten Halbinsel. Sie spiegelt sich in der damals angelegten Wasserfläche. Da sind die Kirchengebäude wie die neue evangelische Jesus-Christus-Kirche, die auf einem Geländevorsprung oberhalb des Bullerbachtales auftrumpft. Da sind die Schulen an den Grünachsen vom Schulzentrum im Süden bis zur Gebrüder-Grimm-Schule im Norden der Sennestadt. Besonders markante Standorte wegen ihrer Lage beidseitig der Bachaue besetzen die Astrid-Lindgren-Schule und die Adolf-Reichwein-Schule. Diese wurde leider Ende 2015 abgerissen.
Was war das für eine Zeit damals, als Sie in die Sennestadt kamen?
HOLST: Die Zeit nach dem Krieg war eine Zeit, in der die Karten neu gemischt wurden. Ich hörte in Berlin, wo ich bei meinem Professor arbeitete, eher zufällig, dass Professor Reichow noch Architekten suchte. Für eine neu entstehende Stadt. Ich war der erste Bewohner der Südstadt, die Fenster waren noch gar nicht eingebaut. Dort wohnte ich acht Monate allein, bis auch meine Frau aus Berlin hierhin zog mit unserem ersten Kind. Das waren Pioniere, die Leute, die nach und nach hier ihre Wohnungen bezogen. Meine Frau ist manchmal mit dem Kinderwagen im Schlamm stecken geblieben.